Public Affairs in Frankreich

FAQ

Public Affairs in Frankreich - Eine rechtliche und praktische Einführung

Während in Deutschland der Bundestagswahlkampf Fahrt aufnimmt, begleiten zur selben Zeit zunehmend Themen rund um Lobbyismus und politische Interessenvertretungen die politgesellschaftlichen Debatten. Und auch die damit verbundenen Skandale nehmen zu und betreffen Politiker und Politikerinnen aus den verschiedensten Institutionen und Parteien (Cum-Ex-Skandal, Wirecard-Affäre, Augustus Intelligence, Maskendeals). Im Zuge der Ereignisse der letzten Monate und Jahre entstand in Deutschland eine Debatte über Privatinteressen und deren Vertretung von neuer Qualität und gipfelte darin, dass die Große Koalition sich im März 2021 und nach jahrelanger Verhandlung auf ein Lobbyregister einigen konnte. Paradoxerweise verfügt selbst Frankreich, das Land, dem oft eine viel größere Vermengung von Politik und Wirtschaft als in Deutschland vorgeworfen wird, bereits seit 2016 über solch ein Register. Dennoch sind Kritik und Kontroversen zu diesem Thema auch dort immer wieder Gegenstand öffentlicher Debatten.

Ein guter Grund, den Begriff der Interessenvertretung in Frankreich, ihren rechtlichen Handlungsrahmen und den Grund, weshalb private Akteure so ein starkes Interesse an einer Public-Affairs-Strategie haben, näher zu betrachten:
 

1. Public Affairs, was ist das eigentlich?

1.1. Verschiedene Umsetzungsmöglichkeiten
1.2. Diverse Akteure
1.3. Der rechtliche Rahmen

2. Weshalb sollte man Public Affairs ernst nehmen?

2.1. Informieren und informiert werden
2.2. Eine Entwicklung beschleunigen
2.3. Seine Interessen artikulieren, verbreiten und bekanntmachen

 

1. Public-Affairs, was ist das eigentlich?

Politik und Wirtschaft üben wechselseitig einen großen Einfluss aufeinander aus, das ist nicht neu. „Public Affairs“ (oder auch „Öffentlichkeitsarbeit“, „politische Beratung“, „politische Kommunikation“ o.ä.) ist dabei ein Begriff, der oft benutzt wird, ohne, dass allen immer konkret klar ist, was er bedeutet. Grundsätzlich geht es dabei um die Gestaltung der institutionellen Außenbeziehungen eines Unternehmens. Der Begriff umfasst also sämtliche Tätigkeiten und Vorhaben, durch die ein öffentlicher Entscheidungsträger gezielt informiert und möglicherweise in seiner Entscheidung beeinflusst werden soll.

Es geht dabei um mehr als ein Essen mit einem Abgeordneten, denn sowohl die Theorie als auch die Praxis der „Public Affairs“ sind sehr viel breiter und nuancierter, als sie meistens in öffentlichen und gesellschaftlichen Debatten dargestellt werden.

1.1. Verschiedene Umsetzungsmöglichkeiten

Die klassische und verbreitete Vorstellung der Einflussnahme auf die Entscheidungsträger ist die von inoffiziellen und halbgeheimen Treffen in Fluren und Lobbys (daher „Lobbyismus“). Das stimmt jedoch nur sehr bedingt mit der Realität überein, denn die Arbeit stellt sich in den allermeisten Fällen deutlich vielschichtiger und facettenreicher dar.

Allein die Planung und die Durchführung einer solchen Strategie benötigt viel Recherche- und Vorarbeit und reicht vom täglichen Monitoring und Erstellen von passgenauen Stakeholder-Listen, über die Erarbeitung und Anpassung genauer Argumentationsmuster bis hin zur Kontaktaufnahme, Vorbereitung und Durchführung verschiedener Treffen mit Akteuren aller Art, die sich in den größeren Rahmen einer maßgeschneiderten Strategie mit klaren Zielen einfügen.

Aber auch die Spitze des Eisbergs, also das, was am Ende sichtbar wird, kann in sehr unterschiedlicher Formen geschehen: der Wirkungsraum spannt sich hier von direkten und offiziellen Treffen mit Entscheidungsträgern, die im Rahmen ihrer Tätigkeiten mit den betreffenden Unternehmensthemen zu tun haben, über die Erstellung von Positionspapieren oder Weißbüchern bzw. die Organisation von Ereignissen wie runden Tischen oder Podiumsdiskussionen, die Ausarbeitung und Formulierung von gesetzlichen Änderungsanträgen bis hin zur Unterstützung bei öffentlichen Ausschreibungen und Angeboten. Die Ergebnisse und Outputs der Öffentlichkeitsarbeit sind somit so vielfältig und unterschiedlich wie die potenziellen Ansprechpartner, die für die Verwirklichung einer solchen Strategie nötig sind.

1.2. Diverse Akteure

Wie oben schon erwähnt ist der Terminus „Public Affairs“ in seinem allgemeinen Gebrauch sehr mehrdeutig und umfasst eine breite Palette von Verfahren und Vorgehensweisen, die sich auf sehr unterschiedliche Stakeholder beziehen. Die „klassischen“ öffentlichen Entscheidungsträger (Parlaments- und Regierungsmitglieder und -mitarbeiter) bilden dabei die Gruppe der üblichen Verdächtigen und sind innerhalb einer entsprechenden Strategie auch oft quasi-unentbehrlich. Dennoch ist das Angebot an Akteuren, die heutzutage Einfluss auf politische Entscheidungsprozesse nehmen, sehr viel breiter. Einflusskanäle, welche mögliche Teile einer gezielten Strategie darstellen können, sind z.B. auch Verbände, Gewerkschaften, Vereine und NGOs, Think-Tanks, Kommunal- bzw. Landespolitiker sowie Bündnisse und Vereine gewählter Vertreter aller Art.

All diese Akteure könne dabei helfen, sich gegenüber einem Thema oder einer Problemlage öffentlich und schlagkräftig zu positionieren und so Einfluss darauf zu nehmen. Das geschieht zum einen qua Amt, zum anderen durch öffentliche Befragungs- und Teilhabemöglichkeiten oder die Durchführung und Veröffentlichung von Studien, Umfragen oder Kolumnen. Die richtige Public-Affairs-Strategie sollte die relevanten Stakeholder zum besten Moment mobilisieren, sich optimal in die politgesellschaftliche Debatte rund um ein Thema einbetten und so die größtmögliche Wirkung entfalten.

1.3. Der rechtliche Rahmen

In Frankreich werden Interessenvertretungen seit dem 9. Dezember 2016 gesetzlich stärker reglementiert. Durch das Gesetz für Transparenz, Korruptionsbekämpfung und die Modernisierung des Wirtschaftslebens (Loi relative à la transparence, à la lutte contre la corruption et à la modernisation de la vie économique), auch „Loi Sapin 2“ genannt, wurde ein nationales Lobbyregister geschaffen und der rechtliche Schutz von Whistleblowern erweitert. Außerdem wurde durch das Gesetz die französische Antikorruptionsagentur ins Leben gerufen und Schritte eingeleitet, um Großkonzerne dazu zu veranlassen, Maßnahmen gegen Interessenkonflikte einzuleiten. Alle Interessensvertreter müssen sich bei der zuständigen Behörde registrieren und überprüfen lassen.

Dennoch wird derzeit eine parlamentarische Informationsmission eingesetzt, die das Gesetz sowohl rechtlich als auch praktisch auf Public-Affairs-Themen bezogen reformieren soll.

 

2. Weshalb sollte man Public Affairs ernst nehmen?

Öffentlichkeitsarbeit im Allgemeinen und Public Affairs im Besonderen, bieten einem Unternehmen viele Vorteile und Chancen, egal, wie groß es ist oder in welchem Wirtschaftszweig es tätig ist.

2.1. Informieren und informiert werden

Durch gute Public-Affairs-Strategien kann ein gewisses Renommée bei der gesamten Bandbreite der Ansprechpartner und Stakeholder erworben werden. Mittel- und langfristig ergibt sich daraus idealerweise ein dichtes Netzwerk an institutionellen und wirtschaftlichen Partnern, die die positive Entwicklung der Branche begleiten und Entscheidungsprozesse erleichtern und beschleunigen.

Keine politische Entscheidung wird ohne öffentliche und zivilgesellschaftliche Befragungen und Beratungen getroffen, was bedeutet, dass keine Gesetzgebung ohne die Berücksichtigung von Interessenvertretern geschrieben wird. Von den entsprechenden Stakeholdern und Entscheidungsträgern als proaktiver und engagierter Informant einer themenbezogenen Expertise angesehen zu werden, bringt einem Unternehmen mehrere strategische Vorteile: schnelle Information, die Mitwirkung an Beratungen als Ansprechpartner und Informationsquelle und die Möglichkeit, im Falle von Veränderungen und Weiterentwicklungen eines relevanten Punktes, seiner Stimme einfacher und wirkungsvoller Kraft verleihen zu können.

2.2. Eine Entwicklung beschleunigen

Politische und gesellschaftliche Entscheidungsträger spielen zwangsläufig auch eine wirtschaftliche Rolle, denn der Staat und seine Dienstleister nehmen nicht selten auch die Rolle des Organisators, Finanzierers und Stakeholders verschiedener Initiativen ein, die direkte oder indirekte Möglichkeiten in Form von Ausschreibungen aber auch sektorieller, regionaler und/oder lokaler Aufschwungspläne bieten. Öffentliche Stellen können deshalb eine möglicherweise nicht unbedeutsame Finanzierungsmöglichkeit darstellen.

Außerdem sind gezielte und gesteuerte Gespräche mit Parlamentariern, Expertengruppen, Treffen mit öffentlichen Repräsentanten und gemeinsame Diskussions- und Podiumsrunden stets auch eine Gelegenheit, dem eigenen Unternehmen zu helfen. So kann man damit gut nach außen und innen kommunizieren, wichtige Informationen sammeln und ein klareres Verständnis erlangen, wie sektorspezifische, für das Unternehmen relevante Entscheidungen getroffen werden und welche Konsequenzen das hat. Daraus lässt sich anschließend die optimale Strategie ableiten.

2.3. Seine Interessen artikulieren, verbreiten und bekanntmachen

Die Vielseitigkeit der Stakeholder und der Aktionsmöglichkeiten machen Schnittstellen mit der breiten Bevölkerung fast unabdingbar. Gepaart mit gezielten PR- und Kommunikationsvorgehen kann eine durchdachte Public-Affairs-Strategie die eigenen Themen schneller, breiter und kraftvoller in die dazugehörenden öffentlichen Debatten und Diskussionen einbringen. Dafür braucht es jedoch Instrumente der Politkommunikation, wie z.B. Positionspapiere, Publikationen mit Denkfabriken, thematische Weißbücher, Social-Media-Kanäle relevanter Parlamentarier und/oder Entscheidungsträger sowie Partnerinitiativen mit öffentlichen Einrichtungen und staatlichen Stellen.

Die Möglichkeiten sind hier genauso vielfältig, wie die Public-Affairs-Arbeit selbst.

 

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